1. Bei der Frage, was der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Rahmen eines Antrags nach § 99 BetrVG mitzuteilen hat, kann bei Vorstrafen eine Parallele zum Fragerecht beim Einstellungsvorgang gezogen werden. Der Arbeitgeber ist nur zur Angabe bekannter Vorstrafen verpflichtet, wenn sich aus ihnen Rückschlüsse auf die fachliche Eignung (z. B. Verkehrsdelikte von Kraftfahrern) oder eine mögliche Gefährdung des Betriebsfriedens (§ 99 II Nr. 6 BetrVG) ziehen lassen. (amtl. Leitsatz)
2. An die erforderliche Besorgnis der Störung des Betriebsfriedens sind generell strenge Maßstäbe anzulegen. In der Vergangenheit liegende Tatsachen müssen objektiv die Prognose künftiger Störungen des Betriebsfriedens rechtfertigen. An der Wahrscheinlichkeit eines gesetzwidrigen Verhaltens bzw. des Verstoßes gegen § 75 I BetrVG darf kein Zweifel bestehen.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Aufhebung einer Versetzung eines vorbestraften Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber betreibt ein Berufsförderungswerk, welches Fortbildungen für die berufliche Rehabilitation anbietet. Der Betriebsrat will, dass die Versetzung des Arbeitnehmers auf die Stelle des Bereichsleiters in der Abteilung „Integration und Qualifizierung/Bereich Steuern und Verwaltung“, wo Verwaltungsfachangestellte für die Kommunal- und Bundesverwaltung ausgebildet werden, aufgehoben wird, weil dieser mehrere Straftaten (Untreue, Urkundenfälschung, Fahren ohne Fahrerlaubnis) begangen hat, die den Betriebsfrieden stören könnten. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat schriftlich am 22.3.22 zu der geplanten Versetzung informiert, aber keine Angaben zu den Vorstrafen gemacht. Der Betriebsrat forderte am 25.3.22 weitere Informationen (Liste aller Verurteilungen, Auszug Führungszeugnis) an, die der Arbeitgeber nicht erteilte. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin am 4.4.22 seine Zustimmung. Aufgrund der Straftaten sei das notwendige Vertrauen der zugeordneten Beschäftigten nicht gegeben. Der Arbeitgeber setzte die Versetzung um; ein Zustimmungsersetzungsverfahren unterließ er. Das ArbG hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen, es sah die Zustimmung als erteilt an. Es hat angenommen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat ausreichend informiert hat und dass die Vorstrafen des Arbeitnehmers nicht relevant für die Versetzung waren. Der Betriebsrat hat hiergegen Beschwerde eingelegt.
Entscheidung
Diese ist erfolglos. Die Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung gilt nach § 99 III 1 BetrVG als erteilt. Die Voraussetzungen für die Zustimmungsfiktion nach § 99 III 2 BetrVG liegen vor. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat mit dem Schreiben am 22.3.22 ausreichend informiert. Der Betriebsrat hat seine Zustimmungsverweigerung erst am 4.4.2022 mitgeteilt, was zu spät war. Bei der Frage, was der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Rahmen eines Antrags nach § 99 BetrVG mitzuteilen hat, kann bei Vorstrafen eine Parallele zum Fragerecht beim Einstellungsvorgang gezogen werden. Der Arbeitgeber ist nur zur Angabe bekannter Vorstrafen verpflichtet, wenn sich aus ihnen Rückschlüsse auf die fachliche Eignung oder eine mögliche Gefährdung des Betriebsfriedens ziehen lassen. Das war hier beides nicht der Fall, da die Vorstrafen des Arbeitnehmers entweder lange zurücklagen oder für die Tätigkeit als Bereichsleiter nicht einschlägig waren, weil die Tätigkeit sich insbesondere nicht auf Vermögensfragen bezieht und ihm entsprechende Kompetenzen nicht zustehen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Urkundenfälschung liegen nicht vor. Der Betriebsrat konnte auch keinen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 II 2 Nr. 6 BetrVG geltend machen, da keine begründete Besorgnis besteht, dass der Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder Verstoß gegen die Grundsätze des § 75 I BetrVG stören würde. An diese Besorgnis sind strenge Maßstäbe anzulegen und es muss eine objektive Prognose künftiger Störungen möglich sein. Die Vorstrafen des Arbeitnehmers haben hier keinen Bezug zu seiner Tätigkeit und er hat sich weiter seitdem bewährt.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Datenschutz und Resozialisierungsgedanken sind sowohl von Seiten des Arbeitgebers als auch seitens des Betriebsrats zu beachten. Es sind nur solche Vorstrafen mitzuteilen oder zu erfragen, die für die Art des Arbeitsplatzes relevant sind. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder Bewerbers ist zu wahren; er ist nicht zu diskriminieren oder zu stigmatisieren