Nach § 34 III BetrVG verfügt jedes Betriebsratsmitglied über ein unabdingbares Recht, auf Datenträgern gespeicherte Daten des Betriebsrats auf elektronischem Wege zu lesen. Daraus folgt, dass der Betriebsrat sämtlichen seiner Mitglieder ein Leserecht in Bezug auf sämtliche auf dem allgemeinen Funktionspostfach des Betriebsrats eingehenden E-Mails einzuräumen hat. (amtl. Leitsatz)

Sachverhalt

Bei der Arbeitgeberin, einem Luftverkehrsunternehmen, ist ein 33-köpfiger Betriebsrat gebildet. Für den Betriebsrat ist eine E-Mail-Adresse eingerichtet. Auf dieses Funktionspostfach hat nur das Sekretariat des Betriebsrats Zugang, das die E-Mails sodann weiter verteilt. Über das Funktionspostfach des Betriebsrats führen die Beschäftigten des Sekretariats auch sie selbst betreffende Korrespondenz mit der Personalabteilung u. a. in Bezug auf Arbeitszeit, Krankheit und Urlaub. Die Antragsteller, zwei Betriebsratsmitglieder, haben ein Leserecht in den E-Mail-Postfächern der Ausschüsse des Betriebsrats sowie auf ein Laufwerk auf dem für den Betriebsrat eingerichteten SharePoints, auf dem Betriebsratsdateien abgelegt werden. Sie leiteten das Beschlussverfahren ein und beantragten, den Betriebsrat zu verpflichten, ihnen jeweils unbeschränkten Zugang zum seinem Funktionspostfach einzurichten, hilfsweise ihnen jeweils ein vollumfängliches, unbeschränktes Leserecht zu gewähren sowie den Betriebsrat zu verpflichten, ihnen uneingeschränkten Zugang zu den E-Mails und den angehängten Dateien einzurichten, die der Betriebsrat auf seinem Funktionspostfach hinterlegt. Das ArbG wies die Anträge zurück, hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller.

Entscheidung

Das LAG gab der Beschwerde in Bezug auf den Hilfsantrag statt und verpflichtete den Betriebsrat, den Antragstellern jeweils unbeschränkten Zugang zu dem für den Betriebsrat eingerichteten Funktionspostfach mittels Zurverfügungstellung der entsprechenden Zugangsdaten (Login, Passwort etc.) einzurichten und ihnen jeweils ein vollumfängliches, unbeschränktes Leserecht zu gewähren. Im Übrigen wies es die Anträge zurück. Der Hauptantrag sei unbegründet, da den Antragstellern kein Recht auf uneingeschränkte Nutzung des Postfachs zustehe. Aus § 34 III BetrVG folge jedoch ein unabdingbares Recht für alle Betriebsratsmitglieder, auf Datenträgern gespeicherte Daten des Betriebsrats auf elektronischem Wege zu lesen. Die Vorschrift bezwecke, dass sich jedes Betriebsratsmitglied – unabhängig von seinem Status oder etwaiger Sonderaufgaben im Betriebsratsvorsitz oder der Mitgliedschaft in einem Ausschuss – ohne zeitliche Verzögerung über die Vorgänge im Betriebsrat informieren könne, und zwar auch dann, wenn der Betriebsrat von der Möglichkeit der Delegation von Aufgaben auf Ausschüsse Gebrauch mache. Dadurch solle sichergestellt werden, dass alle Betriebsratsmitglieder die gleichen Informationsmöglichkeiten haben und die Aufgabenwahrnehmung der anderen Betriebsratsmitglieder kontrollieren können. Die Regelung diene damit auch dem Minderheitenschutz. Der Zugriff auf das Laufwerk auf dem Share-Point und die Postfächer der Ausschüsse reiche dafür nicht aus, da nicht gewährleistet sei, dass dort stets alle auf dem Funktionspostfach für den Betriebsrat eingehenden Nachrichten für sämtliche Betriebsratsmitglieder zugänglich seien. Der Antrag sei auch nicht deshalb unbegründet, weil er Fälle erfasse, in denen kein Leserecht bestünde. Es sei Sache des Betriebsrat dafür zu sorgen, dass über das Funktionspostfach nur Post abgewickelt werde, die die Betriebsratstätigkeit betrifft, und insbesondere Korrespondenz über Arbeitszeit, Krankheit, Urlaub etc. der im Betriebsratssekretariat Beschäftigten über deren persönliche Postfächer geführt werde. Die Möglichkeit etwaiger Irrläufer könne das Leserecht aus § 34 III BetrVG nicht ausschließen. In Bezug auf vom Gesamtbetriebsrat an das Funktionspostfach gesendete E-Mails bestehe hingegen ein Leserecht, denn es handele sich hierbei um die Amtstätigkeit des Betriebsrats betreffende Informationen. Der Informationsanspruch aus § 34 III BetrVG könne z. B. durch Zurverfügungstellung eines „gehärteten PC“ erfüllt werden, zu dem alle Betriebsratsmitglieder jederzeit Zugang haben bzw. gewährt bekommen. Der weitere Antrag sei unbegründet, da er sich nicht auf ein Leserecht beschränke.

Praxishinweis

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BAG, das ebenfalls jedem Betriebsratsmitglied ein unabdingbares Recht zuspricht, die Unterlagen des Betriebsrats jederzeit einzusehen, inklusive eines elektronischen Leserechts in Bezug auf die Dateien und E-Mail-Korrespondenz (BAG BeckRS 2009, 73185).

 

(ArbRAktuell 2024, 124, beck-online)