Leitsatz des BAG:
§ 101 BetrVG begründet keinen Anspruch des BR gegen den Arbeitgeber, bei erst künftig erfolgenden Einstellungen oder Versetzungen von Arbeitnehmern eine Ein- oder Umgruppierung vorzunehmen sowie ein hierauf bezogenes Zustimmungs- und ggf. Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung von Arbeitnehmern. Die Arbeitgeberin war bis Ende 2020 Mitglied im Arbeitgeberverband Metall- und Elektroindustrie zugehörig Metall NRW Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e. V., der mit der IG Metall das Entgeltrahmenabkommen v. 18.12.2003 (ERA NRW) geschlossen hat. Dort sind die Vorgaben für die Eingruppierung der vom Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer in die Entgeltgruppen geregelt. Die den Entgeltgruppen zugeordneten Geldbeträge werden in den jeweils gültigen Entgeltabkommen festgelegt. Das Entgeltabkommen 14.2.2018 wurde von der IG Metall zum Ende 2020 gekündigt. Von Sommer 2018 bis Herbst 2020 nahm die Arbeitgeberin 28 Einstellungen und Versetzungen vor. Der BR stimmte diesen zu, widersprach jedoch jeweils der beabsichtigten Eingruppierung in ein nach „Job Grades“ unterteiltes Vergütungssystem. Zustimmungsersetzungsverfahren gab es nicht. Der BR meint, die dem Geltungsbereich des ERA NRW unterfallenden Arbeitnehmer seien in die tariflichen Entgeltgruppen einzugruppieren und er hierzu zu beteiligen. Er beantragte, der Arbeitgeberin aufzugeben, bei Einstellungen und Versetzungen von Arbeitnehmern des Betriebs diese nach dem ERA NRW einzugruppieren, sofern es sich nicht um AT-Angestellte i. S. d. ERA NRW oder Leiharbeitnehmer handelt. Das ArbG gab dem Antrag statt. Das LAG wies ihn ab und gab lediglich einem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag des BR statt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der BR sein vorrangiges Leistungsbegehren weiter.
Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde des BR hat Erfolg. Der Antrag ist zunächst dahingehend auszulegen, dass der Arbeitgeberin auch aufgegeben werden soll, die Zustimmung des BR nach § BETRVG § 99 BETRVG § 99 Absatz I 1 BetrVG einzuholen und bei ordnungsgemäßer Verweigerung ein arbeitsgerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Der Antrag ist auch begründet. Jedoch ergibt sich der Anspruch des BR für sein ausschließlich zukunftsbezogenes Leistungsbegehren nicht aus § BETRVG § 101 BetrVG. Aus § BETRVG § 101 BetrVG ergibt sich – auch im Rahmen seiner entsprechenden Anwendung – kein Anspruch des BR gegen den Arbeitgeber, bei künftig erst noch erfolgenden Einstellungen oder Versetzungen von Arbeitnehmern eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung zu treffen sowie ein hierauf bezogenes Beteiligungs- und ggf. Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Der BR kann sein Handlungsausspruch aber auf § BETRVG § 23 BETRVG § 23 Absatz III 1 BetrVG stützen. Die Voraussetzungen sind erfüllt. Die Arbeitgeberin hat wiederholt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nach § BETRVG § 99 BetrVG verstoßen. Der tarifgebundene Arbeitgeber ist betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet einer Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG unterliegen. Die Arbeitgeberin hat auch mit ihrem Verhalten in grober Weise ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verletzt. Die Wiederholung ist nicht ausgeschlossen.
Die Tarifgebundenheit bleibt nach § TVG § 3 TVG § 3 Absatz III TVG bestehen. Der ERA NRW besteht unverändert und ungekündigt fort. Vereinbaren die Tarifvertragsparteien in einem Entgeltrahmenabkommen die Entgeltordnung und in einem anderen Tarifvertrag die Entgeltsätze, wollen sie die Regelungen des Entgelttarifvertrags nicht in das Entgeltrahmenabkommen inkorporieren. Eine Änderung des Entgelttarifvertrags führt deshalb nicht zugleich zu einer Änderung des Entgeltrahmenabkommens mit der Folge, dass dieses i. S. v. § TVG § 3 TVG § 3 Absatz III TVG enden würde.
Praxishinweis
Der Erste Senat hatte in seiner Entscheidung vom 18.10.2011 im Fall, dass der Arbeitgeber so wie hier die gebotene Eingruppierung unterlässt, das Leistungsbegehren des BR zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts in entsprechender Anwendung von § BETRVG § 101 BetrVG bejaht. Mit vorliegender Entscheidung wird dies aufgegeben. Ansonsten bleibt er auf Linie der BAG-Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrats im Bereich der Vergütungsordnungen.