Amtlicher Leitsatz

Macht ein freigestelltes Mitglied einer Betriebsvertretung geltend, dass es ohne die Ausübung seines Amtes oder die erfolgte Freistellung als Mitglied der Betriebsvertretung einen beruflichen Aufstieg genommen hätte, obwohl es sich auf bestimmte Stellen tatsächlich nicht beworben hat, kann und muss es zur Begründung des fiktiven Beförderungsanspruchs darlegen, dass es die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen hat und eine Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre

Sachverhalt

Der Kläger ist bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Seit dem Jahr 2002 war er bis zum Jahr 2021 Mitglied der örtlichen Betriebsvertretung. In den Jahren 2017 bis März 2021 war er als Vorsitzender der Bezirksbetriebsvertretung freigestellt. Im Mai 2018 wurde die Stelle eines Personalsachbearbeiters mit einem deutlich höheren Gehalt ausgeschrieben. Der Kläger bewarb sich nicht. Die Stelle wurde mit einem zuvor als Computer Operator tätigen Arbeitnehmer besetzt. Im Jahr 2019 wurde die Stelle des Personalleiters mit einem ebenfalls höheren Gehalt ausgeschrieben. Auch auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Die Stelle wurde mit einem bis dahin für den Warenein- und -ausgang verantwortlichen Arbeitnehmer besetzt. Nach Beendigung seiner Betriebsvertretungstätigkeit im Jahr 2021 machte der Kläger eine höhere Vergütung geltend, und berief sich auf die berufliche Entwicklung auf den „vom Lagerverwalter zum Personalchef beförderten“ Arbeitnehmer.

Nachdem die Zahlung der höheren Vergütung abgelehnt wurde, erhob der Kläger Klage beim ArbG. Dieses hat die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Berufung verfolgte der Kläger sein Klagebegehren fort.

Entscheidung

Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen. Für Mitglieder einer Bezirksvertretung der US-Stationierungsstreitkräfte sind die Vorschriften des BPersVG in der am 16.1.1991 geltenden Fassung maßgeblich. Nach § 8 mod. BPersVG (§ BPERSVG § 10 BPERSVG § 10 Absatz I BPersVG) dürfen Mitglieder der Betriebsvertretung wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden; dies gilt auch in Bezug auf ihre berufliche Entwicklung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 46 III 6 mod. BPersVG. Aus dieser Vorschrift kann sich ein Anspruch des Betriebsvertretungsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung wegen der Freistellung darstellt. Mache ein Amtsträger aber geltend, dass er ohne die Ausübung seines Amtes oder ohne die Freistellung einen beruflichen Aufstieg genommen hätte, obwohl er sich auf bestimmte Stellen tatsächlich nicht beworben habe, könne und müsse er zur Begründung des fiktiven Beförderungsanspruchs darlegen, dass er die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen hat und eine Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre. Da es sich bei den Motiven des Klägers für die unterlassenen Bewerbungen um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handele, reiche ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht aus. Es genüge nicht, wenn der Kläger schlicht behaupte, er hätte sich auf die zwei Stellen beworben, weil sich seine Vergütung deutlich erhöht hätte. Allein der Hinweis auf die Möglichkeit, ein höheres Entgelt zu erzielen, genüge nicht, um darzulegen, dass der Kläger die Bewerbungen wegen seiner Freistellung unterlassen hätte. Es gebe keinen Erfahrungssatz, nach dem der Arbeitnehmer sich wegen einer höheren Vergütung auf jede Beförderungsstelle bewerbe. Vielmehr stünden dem häufig lange Arbeitswege oder die Notwendigkeit eines Umzuges entgegen. Auch habe der Kläger zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht, dass er sich verändern wolle. Trotz einer Weiterbildung, die ihn nach seinem Vorbringen zu Personaltätigkeiten befähigt habe, habe er keinerlei entsprechenden Bewerbungen abgegeben. Schließlich habe der Kläger nicht vorgetragen, dass eine Bewerbung auf die jeweiligen Stellen ohne Freistellung erfolgreich gewesen wäre.

Die Behauptung, die berücksichtigten Arbeitnehmer hätten ebenfalls keine ausreichenden Kenntnisse für die Tätigkeit gehabt, reicht nicht aus.

Praxishinweis

Soll eine höhere Vergütung für freigestellte Amtsträger auf Grundlage eines fiktiven beruflichen Werdegangs geltend gemacht werden, wird es auf eine Dokumentation der während der Freistellung erfolgten Bemühungen in Bezug höher dotierte Stellen im Rahmen von Bewerbungsverfahren und Personalgesprächen ankommen

 

Quelle: ArbRAktuell 2023, 300, beck-online