Headset als technische Überwachungseinrichtung

1.    Ein Headset, welches nur der innerbetrieblichen Kommunikation dient, stellt keine technische Überwachungseinrichtung i. S. v. § 87 I Nr.6 BetrVG.

2.    Bei unternehmensweiter Einführung ist die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben. (amtl. Leitsätze).

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Anordnung zum Tragen von Headsets während der Arbeit. Die Beteiligte zu 2. ist ein international tätiges Bekleidungsunternehmen, dessen Zentrale sich in Dublin befindet. Der Beteiligte zu 1. ist der örtliche Betriebsrat (BR) eines der Standorte. Im Unternehmen besteht ein Gesamtbetriebsrat (GBR). Das Unternehmen beabsichtigt die Ablösung der bisher verwendeten Walkie-Talkies durch Headsets. Die für die Headsets verwendete Software wird über die IT-Abteilung in Dublin betreut. Am Standort gibt es keine eigene IT-Abteilung. Beim Einsatz der Geräte werden Headset-Registrierungsdaten (ID, die eindeutige Gerätenummer (IPEI), Bezeichnung des Geräts und Zeitpunkt der Verbindung) nach Dublin übertragen. Ferner werden die Betriebsdaten, die DECT-Verbindung (Funkstandard) mit der Basisstation im Store und generelle Systeminformationen weitergegeben. Ferner kann die zuletzt ausgeführte Aktion aus der Gerätekonfiguration ausgelesen werden. Auch diese Daten werden nach Dublin übermittelt.

Im Unternehmen existiert eine vom GBR geschlossene Rahmenvereinbarung IT. Die einzelnen mitbestimmungspflichtigen Systeme werden zu der Gesamtbetriebsvereinbarung als Anlage genommen. Für die Headsets wurde eine solche Anlage vereinbart, in der geregelt wurde, dass die Headsets nicht zur Verhaltens- und Leistungskontrolle eingesetzt werden. Ferner haben einzelne örtliche Betriebsräte eigene Vereinbarungen geschlossen. Trotz Verhandlungen kam es zwischen den Beteiligten nicht zu einer Vereinbarung. Der BR sieht ein Mitbestimmungsrecht nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nrn. BETRVG § 87 Absatz 1 Nummer 6 und Nr. BETRVG § 87 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG. Die Arbeitgeberin meint, eine betriebsübergreifende Regelung sei zwingend erforderlich. Deshalb sei der GBR originär zuständig. Ferner behauptet sie, dass eine Überwachung technisch nicht möglich sei, da die Headsets keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet seien.

Entscheidung

Das ArbG hat die Unterlassungsanträge des BR zurückgewiesen; die Beschwerde zum LAG blieb erfolglos. Das LAG ist der Ansicht, dass eine Leistungskontrolle durch die Sprachübertragung per Headset objektiv nicht durchführbar sei. Es fehle eine Individualisierbarkeit der Arbeitnehmer. Die Headsets seien unstreitig keinem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet. Deshalb erscheine die Zuordnung der Daten in der Zentrale in Dublin zu einem bestimmten Arbeitnehmer nicht möglich. Der technischen Einrichtung fehle bereits die objektive Überwachungseignung.

Soweit ein Mitbestimmungsrecht bejaht wird, sei jedenfalls der örtliche BR unzuständig. Bei der Einführung der Headsets bestehe eine technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung. Diese ergebe sich aus der alleinigen Zuständigkeit der Zentrale in Dublin. Für die Beurteilung der Frage sei auf die technische Lösung abzustellen, welche der Arbeitgeber für die Erreichung seiner Zwecke gewählt habe. In Dublin werde die Software gesteuert. Das Betreiben der Headsets ohne die Software sei nicht möglich. Daraus folge die Zuständigkeit des GBR nach § BETRVG § 50 BETRVG § 50 Absatz I BetrVG.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist unter dem Aktenzeichen BAG Aktenzeichen 1 ABR 16/23 anhängig.

Praxishinweis

Das LAG verneint zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG. Nach der Rspr. des BAG kommt es nicht darauf an, auf welche Weise erfasste Leistungs- und Verhaltensdaten bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden. Dies muss nicht mit der eingesetzten Software geschehen, sondern kann auch durch das Personalisieren der Headsets vorgenommen werden. Für die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, kommt es deshalb nicht darauf an, dass das Unternehmen eine Personalisierung (derzeit) nicht vornimmt. Jedenfalls sind die Headsets zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet.

Ob die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats allein deshalb ausgelöst wird, weil die zentrale IT-Abteilung in Dublin ist, scheint trotz der Entscheidung des BAG zu MS-Office (BAG, ArbRAktuell 2022, ARBRAKTUELL Jahr 2022 Seite 436) fraglich.

 

Quelle: ArbRAktuell 2023, 327, beck-online