Vergleichsentgelt für freigestellte Betriebsratsmitglieder
Die Ermittlung des Vergleichsentgelts für ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrats gemäß § BETRVG § 37 BETRVG § 37 Absatz IV 1 BetrVG stellt auch dann keine mitbestimmungspflichtige Ein- bzw. Umgruppierung i. S. v. § BETRVG § 99 BETRVG § 99 Absatz I 1 BetrVG dar, wenn infolge der Vergütungsbestimmung ein Entgelt gemäß einer tariflichen Vergütungsgruppe gezahlt wird. (amtl. Leitsatz)
Sachverhalt
Strittig ist die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden, der seit 1986 bei der Beklagten beschäftigt und seit 1998 für die Betriebsratstätigkeit freigestellt ist. Im Unternehmen gilt ein Haustarifvertrag. Dieser enthält 14 Vergütungsgruppen. Jede Vergütungsgruppe enthält allgemeine Tätigkeitsmerkmale sowie Regelbeispiele zur tariflichen Eingruppierung der Mitarbeitenden. Daneben gilt ein Vergütungstarifvertrag. Der Betriebsratsvorsitzende befand sich im Jahr 2002 in der Vergütungsgruppe 8/10 mit einem Grundgehalt von 4.207,35 EUR brutto. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt. Die Arbeitgeberin kürzte die auf mittlerweile 13.576,63 EUR brutto gestiegene Gesamtvergütung im Juni 2022 auf 6.338,56 EUR brutto basierend auf der Grundvergütung der Tarifgruppe 8/25. Der Betriebsrat ist der Auffassung, die Arbeitgeberin hätte ihn vor der Umsetzung der Vergütungsanpassung, die eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung darstelle, gemäß § 99 BetrVG beteiligen müssen.
Entscheidung
Das ArbG hat den Antrag des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen. Das LAG bestätigte diese Entscheidung. Bei der Bestimmung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden handele es sich „nur“ um eine Rechtsanwendung gem. § 37 IV BetrVG. Diese stelle keine Eingruppierung oder Umgruppierung gem. § 99 BetrVG dar. Für die Mitbestimmung des Betriebsrats sei es nicht ausschlaggebend, ob der vom Betriebsrat zu beurteilende gedankliche Akt des Arbeitgebers eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung ist. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates solle sicherstellen, dass die Bewertung der Tätigkeit des Arbeitnehmers und deren Zuordnung zur Entgeltgruppe möglichst zutreffend sind. An einer solchen zu bewertenden Tätigkeit fehle es.
Die Arbeitgeberin habe die Vergütungsentwicklung von zehn Arbeitnehmern aufgrund ihrer Qualifikation, ähnlich langer Betriebszugehörigkeit und einer ähnlichen Vergütung mit dem Betriebsratsvorsitzenden zu Beginn seiner Freistellung verglichen. Ob sie hierbei § 37 IV BetrVG richtig angewandt habe und die Vergütung habe kürzen dürfen, spiele bei der hier allein relevanten Frage des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG keine Rolle. Dennoch äußert das LAG seine Ansicht dahingehend, dass § 37 IV BetrVG auch das Begünstigungsverbot konkretisiere und die Zusage einer über das gesetzliche Maß hinausgehenden Vergütung an einen Mandatsträger unzulässig sei. Eine Schutzlücke für freigestellte Betriebsratsmitglieder bestehe nicht. § 99 I BetrVG diene bereits nicht dem Schutz der individuellen Vergütung des einzelnen Arbeitnehmers, sondern nur dem kollektiven Interesse an der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, basierend auf der aus der Tätigkeit folgenden Stellung des Arbeitnehmers. Dies gelte für alle Arbeitnehmer, weshalb das LAG auch eine Benachteiligung gem. § 78 S. 2 BetrVG verneinte. Der Akt der Zuordnung einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe würde nach dem Ende der Freistellung wieder erfolgen, dann könne auch der Betriebsrat mitbestimmen. Anderes gelte für eine Versetzung in Form einer organisatorischen Änderung während der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds. Hier sei § 99 BetrVG auch ohne die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit zu beachten, da das Ende der Freistellung keine Maßnahme des Arbeitgebers sei und dann keine Beteiligung des Betriebsrats wegen der vorhergehenden Versetzung möglich sei.
Praxishinweis
Ob das BAG es im Falle eines Rechtsbeschwerdeverfahrens als stringent befinden wird, die Ein- bzw. Umgruppierung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht in den Anwendungsbereich des § 99 BetrVG fallen zu lassen, obwohl der Schutz des kollektiven Vergütungssystems nur gewährleistet ist, wenn auch die Einordnung der Vergütung aller einzelnen Arbeitnehmers (unabhängig vom Betriebsratsamt) überprüft werden kann, bleibt abzuwarten. Für die Betriebsparteien ist es jedenfalls wichtig, bei der Freistellung festzuhalten, wer Teil der Vergleichsgruppe ist und diese auch bei Vergütungsänderungen zu definieren, um Streitigkeiten über (strafbare) Benachteiligung oder Begünstigung von freigestellten Betriebsräten zu vermeiden.