BAG, Beschluss vom 7.2.2024 – 7 ABR 8/23 (LAG Düsseldorf 24.11.2022 – 8 TaBV 59/22)

Amtlicher Leitsatz

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz haben Betriebsräte Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat. Dabei können Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Schulungskosten. Bei der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin) handelt es sich um eine Luftverkehrsgesellschaft. Die Antragstellerin ist die im Betrieb der Arbeitgeberin auf der Grundlage des § 117 II BetrVG i. V. m. Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für die Beschäftigung des Kabinenpersonals der Euro... GmbH vom 20.8.2019 (i. F. TV PV) gewählte Personalvertretung. Die Herren L und T, die früheren Beteiligten zu 3. und 4., rückten im Sommer 2021 als ordentliche Mitglieder der Personalvertretung nach, nachdem sie zuvor als Ersatzmitglieder fungierten.

§ 1 III TV PV bestimmt, dass für das Kabinenpersonal der Euro… GmbH und deren Personalvertretung das BetrVG in der jeweils gültigen Fassung Anwendung findet.

Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst, die Herren L und T zu dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ des Schulungsanbieters X vom 24.8. bis 27.8.2021 in Binz/Rügen zu entsenden. Die Arbeitgeberin teilte daraufhin am 28.6.2021 mit, dass die Teilnahme grundsätzlich in Ordnung sei, aus Kostengründen aber ein Seminar in der Nähe – z. B. Velbert, Bad Honnef oder Köln – oder – sogar im gewählten Zeitraum – ein Webinar ausgesucht werden solle. Daraufhin teilte die Personalvertretung am 9.7.2021 mit, dass sie sich nunmehr für ein Präsenzseminar in Potsdam vom 24.8. bis 27.8.2021 entschieden hätte. An diesem Seminar nahmen die Herren L und T teil. Die Anreise erfolgte durch Nutzung eines Fluges der Arbeitgeberin nach Berlin und der Weiterfahrt per Taxi nach Potsdam. Mit Rechnung vom 8.9.2021 stellte die Firma X der Personalvertretung die Seminargebühren i. H. v. 1.528,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. und die Übernachtungs- und Verpflegungskosten i. H. v. 1.108,62 EUR zzgl. MwSt. in Rechnung.

Die Arbeitgeberin lehnte zunächst die Erstattung beider Beträge ab. Das ArbG ist daraufhin dem entsprechenden Antrag der Personalvertretung gefolgt, dass die Arbeitgeberin sie von der Erstattung beider Beträge freizustellen habe. In 2. Instanz räumte die Arbeitgeberin dann allerdings ein, dass die Seminargebühren so oder so angefallen wären, sodass in der Beschwerde der Beschluss des ArbG insoweit nicht mehr angegriffen werde. Die Beteiligte zu 2. hat deshalb zuletzt beantragt, die Personalvertretung nur noch wegen der entstandenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten i. H. v. 1.108,62 EUR zzgl. 19 % MwSt. freizustellen. Dem ist das LAG gefolgt.

Entscheidung

Die gegen den Beschluss des LAG zugelassene Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem 7. Senat des BAG keinen Erfolg. In der Pressemitteilung Nr. 5/24 heißt es, die Personalvertretung habe ebenso wie ein Betriebsrat bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsende, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasse grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem stehe nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

Praxishinweis

Die Vorinstanz hat zutreffend hervorgehoben, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung nach § 40 I BetrVG unter dem in § 2 I BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit steht. Die Entscheidung über die Schulungsteilnahme darf der Betriebsrat daher nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Verlangt wird vielmehr, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Der Betriebsrat ist deshalb verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Die verursachten Kosten sind also auf das notwendige Maß zu beschränken.

Richtig ist, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg effektiver ist als eine Online-Schulung. Das gilt auch, wenn die Lerninhalte identisch sind. Vorliegend kommt hinzu, dass – wie das LAG näher ausführt – die Kostenersparnis der Arbeitgeberin bei einer alternativen Schulungsteilnahme in Velbert, Bad Honnef oder Köln für die Arbeitgeberin nur relativ gering gewesen wäre. In dieser Situation durfte sich die Personalvertretung durchaus für die zeitnähere Schulung in Potsdam entscheiden

 

(ArbRAktuell 2024, 100, beck-online)