BetrAVG § 1a Ia, § 19 I, § 26a
1. Nach Ablauf der Übergangsfrist des § 26a BetrAVG ist der Arbeitgeber nach § 1a Ia BetrAVG
seit dem 1.1.2022 auch dann gegenüber einem Arbeitnehmer, der von seinem Recht,
Arbeitsentgelt in eine Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln,
Gebrauch gemacht hat, zu dessen Gunsten zur Zahlung eines Zuschusses an den Träger der
betrieblichen Altersversorgung verpflichtet, wenn er an einen vor dem 1.1.2019 zustande
gekommenen Tarifvertrag gebunden ist, der Regelung über eine Entgeltumwandlung enthält,
ohne einen Arbeitgeberzuschuss wegen der Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen durch
den Arbeitgeber vorzusehen (gegen LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.10.2023 – 15 Sa 223/23 B).
2. Ein Abweichen durch Tarifvertrag nach § 19 I BetrAVG von § 1a Ia BetrAVG setzt voraus, dass
die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Gesetzesnorm sich bewusst dafür entschieden haben,
eine andere Regelung treffen zu wollen.
3. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung aus § 1a Ia BetrAVG nicht dadurch, dass er
aufgrund einer von ihm zu beachtenden tariflichen Verpflichtung eine anderweitige betriebliche
Altersversorgung zugunsten des Arbeitnehmers, der von seinem Recht, Arbeitsentgelt in eine
Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln, Gebrauch gemacht hat,
finanziert. (amtl. Leitsätze, gekürzt)
LAG Hamm, Urteil vom 10.1.2024 – 4 Sa 803/23 (ArbG Münster 23.5.2024 – 1 Ca 930/22),
BeckRS 2024, 10521
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, zugunsten des Arbeitnehmers
einen Zuschuss nach § 1a Ia BetrAVG zu leisten.
Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien sind an einen vor Einführung des § 1a Ia
BetrAVG geschlossenen Tarifvertrag gebunden, der unter anderem die Möglichkeit zusätzlicher
Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung regelt. Der Tarifvertrag sieht einen Zuschuss des
Arbeitgebers nicht vor.
Der Kläger wandelt seit vielen Jahren einen Teil seines Entgelts nach § 1a BetrAVG um, wofür die
Beklagte ihm eine entsprechende Versorgungszusage erteilt hat. Die Beklagte zahlt auf Grundlage
einer anderweitigen tarifvertraglichen Regelung auf das Versorgungskonto des Klägers einen
Beitrag in fester Höhe.
Der Kläger verlangt nun die Zahlung eines Zuschusses i. H. v. 15 % seines seit dem 1.1.2022
umgewandelten Entgelts aus § 1a Ia BetrAVG.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das LAG bejaht einen Anspruch auf Zahlung eines
Arbeitgeberzuschusses aus § 1a Ia BetrAVG. Zwischen den Parteien bestehe eine
Entgeltumwandlungsvereinbarung, durch die die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge einspare.
Unerheblich sei, dass der vor der Einführung des § 1a Ia BetrAVG geschlossene Tarifvertrag
keinen Zuschuss des Arbeitgebers vorsieht. § 1a Ia BetrAVG sei zwar tarifdispositiv, allerdings
hätten die Tarifvertragsparteien die Norm weder ausgeschlossen noch eine abweichende Regelung
getroffen. Der Tarifvertrag sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, in dem die
Zuschusspflicht des Arbeitgebers nach § 1a Ia BetrAVG weder bestand noch vorhersehbar war.
Daher konnte im Tarifvertrag notwendigerweise keine hiervon abweichende Regelung getroffen
werden. Es könne nur von etwas abgewichen werden, was schon vorhanden ist. Auch liefe
ansonsten die Übergangsfrist des § 26a BetrAVG ins Leere. Eine Übergangsregel wäre nämlich
nicht notwendig, wenn für Alttarifverträge nach Ablauf der Übergangsfrist nicht § 1 I a BetrAVG
zur Anwendung kommen würde. Zudem sei Zweck der Neueinführung des § 1a Ia BetrAVG, dass
Arbeitnehmer ermuntert werden sollen, eine betriebliche Altersversorgung durch
Entgeltumwandlung aufzubauen. Dieser Zweck würde dann nicht mehr erreicht werden, wenn
jeder Tarifvertrag, der in irgendeiner Form Regeln über Entgeltumwandlungen enthält, die
Zuschusspflicht nach § 1a Ia BetrAVG ausschließen würde.
Im Übrigen stehe auch die Tarifautonomie diesem Ergebnis nicht entgegen, da die
Tarifvertragsparteien durch § 19 I BetrAVG das Recht behielten, die Entgeltumwandlung und die
Zuschusspflicht umfassend zu regeln. Es würde ihnen lediglich auferlegt, diese Überlegungen in
Kenntnis der gesetzlichen Zuschusspflicht anzustellen.
Der Arbeitgeber könne die Pflicht auch nicht durch Erfüllung einer anderweitigen tariflichen Pflicht
(mit-)erfüllen.
Praxishinweis
Das LAG Hamm weicht von der Rechtsprechung des LAG Niedersachsen (zuletzt BeckRS 2023,
37580) ab, das mehrfach entschieden hat, dass ein Anspruch aus § 1a Ia BetrAVG auch durch
einen vor dem 1.1.2019 abgeschlossenen Tarifvertrag ausgeschlossen werden könne, wenn dieser
den Anspruch auf Entgeltumwandlung regelt. Das LAG Hamm hat daher die Revision zugelassen.
Gegen die Entscheidung des LAG Niedersachen ist die Revision bereits unter dem Az. 3 AZR
285/23 anhängig.