Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Das hat der EuGH klargestellt und angezweifelt, dass die Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Die Entscheidung für den Einzelfall überließ der EuGH allerdings dem Arbeitsgericht.

Darum geht es

Eine Angestellte eines Pflegeheims ficht ihre Kündigung vor einem deutschen Arbeitsgericht an. Sie beruft sich auf das Verbot, einer Schwangeren zu kündigen. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse. 

Als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben habe, sei nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist - drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung - bereits verstrichen gewesen. 

Überdies habe die Arbeitnehmerin es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen (nach Behebung des Hindernisses für die Klageerhebung) einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen. 

Das Arbeitsgericht fragt sich jedoch, ob die in Rede stehende deutsche Regelung mit der Richtlinie 92/85/EWG vom 19.10.1992 über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist. Es hat daher den EuGH dazu befragt. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der EuGH hat festgestellt, dass nach der deutschen Regelung eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen verfügt, um eine Klage zu erheben. 

Nach Verstreichen dieser Frist gilt die Kündigung als wirksam, sofern nicht ein Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage gestellt wird. 

Hierbei verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, dann nur über zwei Wochen, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können. 

Nach Auffassung des Gerichtshofs scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar zu sein. 

In seinem Urteil vom 29.10.2009 (Az. C-63/08) hat sich der EuGH in Bezug auf eine Frist von 15 Tagen, die für eine schwangere Arbeitnehmerin für die Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung ihrer Kündigung gelten sollte, bereits in diesem Sinne geäußert.

In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, scheint diese kurze Frist nämlich dazu angetan, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. 

Es ist nach dem EuGH jedoch Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist. 

EuGH, Urt. v. 27.06.2024 - C-284/23

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 27.06.2024