I. Amtliche Leitsätze

1. Weist das Arbeitsgericht den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs rechtskräftig zurück, steht damit endgültig fest, dass der Spruch wirksam ist.

2. Die Verbindlichkeit der formell rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung zur Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs ist unabhängig davon, ob in dem Wirksamkeitsprüfungsverfahren alle Unwirksamkeitsgründe thematisiert worden sind.

3.  Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn in dem Einigungsstellenspruch wegen Fehlen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats und einer beidseitigen Unterwerfung oder nachträglichen Annahme des Einigungsstellenspruchs seitens Betriebsrat und Arbeitgeber eine Regelung nicht hätte ergehen dürfen.

II. Sachverhalt

Die Arbeitgeberin betreibt ein städtisches Krankenhaus, in dem der TV-Ärzte/VKA Anwendung findet., der in § 10 Regelungen zur Rufbereitschaft enthält. 2014 wurde eine durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene BV abgeschlossen, wonach die Beschäftigten während der Rufbereitschaft telefonisch erreichbar sein und ihre Arbeit innerhalb einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufnehmen müssen. Der BR hatte den Spruch angefochten da die BV gegen eine Regelung des TV-Ärzte verstoße. Im Übrigen sind keine Rügen wegen Tarifvorrangs oder Bestehen eines Mitbestimmungsrechts erhoben worden. Das ArbG wies den Antrag des BR rechtskräftig zurück. Die Arbeitgeberin wies nun im Jahre 2021 an, während der Rufbereitschaft innerhalb von 30 Minuten am Patienten verfügbar zu sein.

Der BR hat die Unterlassung dieser Anweisung gerichtlich geltend gemacht und einen Verstoß gegen die BV angeführt. Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, hinsichtlich des Abrufs aus der Rufbereitschaft bestünde kein Mitbestimmungsrecht, da dieser durch sie bindende Tarifvorschriften geregelt und deshalb einer Regelung durch BV entzogen sei. Den Betriebsparteien habe insoweit hinsichtlich der BV die Regelungsmacht gefehlt.

III. Entscheidung

Das ArbG hat den Antrag des BR zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das einschlägige Mitbestimmungsrecht wegen der Arbeitszeit zwar die Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen nicht aber die inhaltliche Ausgestaltung der Rufbereitschaft umfasse. Außerdem sei die Rufbereitschaft durch Tarifvorschrift abschließend geregelt. Nach der Rspr. des EuGH sei eine 30-minütige Anrückzeit nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde des BR hatte Erfolg. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die Anweisung zu unterlassen, weil sie mit der einseitigen Vorgabe einer Anrückzeit, die nicht für alle Anwendungsfälle gesichert angemessen ist, den Anspruch des BR auf Durchführung der BV verletzt. Das LAG führt aus, dass aus dem Durchführungsanspruch ein Unterlassungsanspruch folgen kann, wenn die BV wirksam ist. Dies sei vorliegend durch den rechtskräftigen Beschluss festgestellt. Daher könnten im vorliegenden Verfahren die Fragen nach einer Überschreitung des Mitbestimmungsrechts und einer Verletzung des Tarifvorrangs nicht neu aufgeworfen werden. Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind nach ständiger Rspr. des BAG der formellen und materiellen Rechtskraft fähig. Unschädlich ist, dass in dem Vorverfahren offenbar die Unwirksamkeitsgründe nicht vollständig geprüft wurden. Die Verbindlichkeit der formell rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung zur Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs ist unabhängig davon, ob in dem Verfahren alle Unwirksamkeitsgründe thematisiert worden sind. Gleichwohl ist vom Gericht von Amts wegen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, ob ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle begründet ist. Der Antragsteller kann dem Gericht den Inhalt der rechtlichen Prüfung nicht vorschreiben und diese nicht auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe beschränken. Aus dem Durchführungsanspruch kann der BR somit die Unterlassung der Anweisung beanspruchen.

IV. Praxishinweis

Das Ergebnis des Anfechtungsverfahrens bzgl. des Einigungsstellenspruchs ist bindend, so dass anzuraten ist, auf möglichst alle Unwirksamkeitsgründe hinzuweisen

 

Quelle: ArbRAktuell 2023, 394, beck-online