LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.10.2022 – 2 TaBV 1/22

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten u. a. über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers. Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat gem. § BETRVG § 99 BetrVG dessen Zustimmung zur Einstellung eines Mitarbeiters. Der Betriebsrat teilte mit, er benötige noch das Protokoll des Vorstellungsgesprächs und die Stellenbeschreibung der neuen Stelle. Die Arbeitgeberin unterhält ein Softwareprogramm zur Abbildung von Bewerbungsverfahren. In dieses werden, wie vorliegend, sämtliche eingehenden Bewerbungen für eine Stelle digitalisiert und übernommen. Der Betriebsrat hat Zugriff auf dieses System.

Nach Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen fasste der Betriebsrat den Beschluss, seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung des Mitarbeiters zu verweigern.

Das ArbG hat die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung des Mitarbeiters ersetzt.

Entscheidung

Das LAG hielt die Beschwerde des Betriebsrates für nicht begründet. Vor einer beabsichtigten Einstellung habe der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und vollständig über die Gründe, den betreffenden Arbeitsplatz, die Person des ausgewählten Bewerbers und die Eingruppierung zu unterrichten und ihm darüber hinaus Auskunft über die Mitbewerber zu geben und die Bewerbungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. Sofern der Arbeitgeber aufgrund der vorliegenden Umstände davon ausgehen dürfe, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, müsse es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten.

Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat vorliegend über die Person des ausgewählten Bewerbers, den betreffenden Arbeitsplatz, die vorgesehene Eingruppierung/Vergütung und die Gründe der Arbeitgeberin für die beabsichtigte Einstellung in ausreichendem Maße unterrichtet. Der gesetzlichen Verpflichtung, dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen aller Stellenbewerber vorzulegen, sei die Arbeitgeberin dadurch nachgekommen, indem sie den Betriebsratsmitgliedern eine umfassende Einsichtsmöglichkeit in die digitalisierten Unterlagen gewährt habe.

Selbst wenn man nicht lediglich das bloße Zugänglichmachen von Bewerbungsunterlagen, sondern deren Überlassung bzw. Zurverfügungstellen an den Betriebsrat fordern würde, so wäre auch dies in der Bereitstellung der Unterlagen via Software zu sehen. In Zeiten der fortschreitenden Organisation möglichst papierfreier Büros könne es keinen Unterschied mehr machen, ob dem Betriebsrat sämtliche Unterlagen in Papierform vorgelegt bzw. überlassen werden oder ob die Betriebsratsmitglieder durch „Vorlage“ von Laptops in die Lage versetzt würden, sich die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen.

Selbst wenn man jedoch der Auffassung folgte, wonach grundsätzlich ein Anspruch auf Vorlage aller Unterlagen in Papierform bestünde, führte dies gleichwohl nicht zu dem Ergebnis, dass wegen unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrats das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden wäre. Dem Betriebsrat haben objektiv alle notwendigen Informationen vorgelegen. Der Betriebsrat habe daher um Vervollständigung der Unterlagen auffordern müssen. Der Betriebsrat habe allerdings nur das Protokoll des Vorstellungsgesprächs und die Stellenbeschreibung angefordert.

Praxishinweis

Das LAG Sachsen-Anhalt hat zu der für die Praxis bedeutsamen Frage Stellung genommen, ob die bloße Möglichkeit des Betriebsrates zur Einsichtnahme in ein digitales Bewerbungsmanagement-Tool und die hierin liegenden Bewerbungsunterlagen ausreichend für die Information des Betriebsrates im Rahmen von Einstellungen gem. § BETRVG § 99 BetrVG ist. Dies wurde nachvollziehbar bejaht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage wurde allerdings die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen.

 

Quelle: Beckonline