Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme

BAG, Beschluss vom 15.11.2022 – 1 ABR 15/21

Sachverhalt

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme. Der Arbeitgeber nahm zum 1.5.2019 eine betriebliche Umorganisation vor, in deren Rahmen er u. a. den Arbeitnehmer M einem neu gebildeten Arbeitsbereich zuordnete. Danach übertrug der Arbeitgeber diesen Arbeitsbereich mit Wirkung zum 1.5.2020 im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf ein anderes Unternehmen. Der Betriebsrat ist der Auffassung, bei der personellen Einzelmaßnahme handle es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung i. S. v. § 95 III BetrVG, an der er nicht beteiligt wurde. Die Maßnahme sei aufzuheben, da sie ohne seine Zustimmung durchgeführt worden sei. Die Ausgliederung stehe dem Aufhebungsbegehren nicht entgegen. Der Arbeitnehmer M sei aufgrund der mitbestimmungswidrigen Versetzung dem ausgegliederten Arbeitsbereich nicht wirksam zugeordnet worden, sodass sein Arbeitsverhältnis nicht auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen sei. Zudem liege ein grober Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers vor. Das ArbG hat den Anträgen stattgegeben, das LAG wies sie ab.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG kann der Betriebsrat die Aufhebung der personellen Einzelmaßnahme nicht verlangen. Nach § 101 S. 1 BetrVG könne der Betriebsrat beim ArbG beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme i. S. v. § 99 I 1 BetrVG aufzuheben, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme ohne seine Zustimmung durchführe. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens sei die Frage, ob eine konkrete personelle Einzelmaßnahme gegenwärtig und zukünftig als endgültige Maßnahme zulässig sei. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Beschlusses werde der Arbeitgeber verpflichtet, den betriebsverfassungswidrigen Zustand durch Aufhebung der personellen Einzelmaßnahem zu beseitigen. Entscheidungen im Aufhebungsverfahren haben nach Auffassung des BAG nur Wirkung für die Zukunft. Der Antrag nach § 101 S. 1 BetrVG werde daher unbegründet, wenn die antragsgegenständliche personelle Einzelmaßnahme geendet habe. Dies sei hier der Fall, da ein möglicher betriebsverfassungswidriger Zustand seit dem Zeitpunkt der Ausgliederung des Arbeitsbereichs nicht mehr fortbestehe. Die vom Betriebsrat angenommene Versetzung des Arbeitnehmers M zeichne sich dadurch aus, dass dem betroffenen Arbeitnehmer innerhalb desselben Betriebs ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wurde. In Folge der Ausgliederung des Arbeitsbereichs auf ein anderes Unternehmen als übernehmende Rechtsträger gehöre dieser Bereich aber nicht mehr zum Unternehmen der Arbeitgeberin. Damit ende die personelle Einzelmaßnahme, wie sie sich ursprünglich darstellt. Die Ausgliederung des Arbeitsbereichs habe nicht lediglich zur Folge, dass die ursprüngliche personelle Einzelmaßnahme als solche fortbestanden und sich nur ihr früherer Zustand geändert habe. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebs stelle vielmehr eine grundlegende andere Maßnahme dar, als wäre sie auf eine Tätigkeit außerhalb des Unternehmens gerichtet gewesen. Auch der Antrag nach § 23 III 1 BetrVG sei unbegründet. Sei eine erneute Verletzung der den Anlassfall bildenden Pflichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, könne die Funktion des § 23 III BetrVG nicht mehr erreicht werden. In diesem Fall scheide ein Unterlassungsanspruch aus. Da der Arbeitsbereich auf ein anderes Unternehmen übergegangen sei, sei nicht mehr ersichtlich, dass die Arbeitgeberin künftig noch Versetzungen in diesem gerade nicht mehr zu ihrem Unternehmen gehörenden Arbeitsbereich vornehmen werde.

Praxishinweis

Das BAG bestätigt seine ständige Rechtsprechung, wonach Aufhebungsanträge nach § 101 S. 1 BetrVG unbegründet werden, wenn die personelle Einzelmaßnahme geendet hat (BAG, ArbRAktuell 2018, 427). Diese Rechtsprechungslinie überzeugt, da ein anderes Verständnis der Zielrichtung von § 101 S. 1 BetrVG diametral widersprechen würde.

 

(ArbRAktuell 2023, 133, beck-online)