Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung. Die
Klägerin ist bei dem Beklagten als Rettungssanitäterin beschäftigt. Der Beklagte stellte für 15
Arbeitstage fest, dass die Einsatzzeiten der Klägerin die des jeweiligen Kollegen/der jeweiligen
Kollegin der Schicht überschritten. Darüber hinaus hatte die Klägerin sich eine Pause als
Arbeitszeit gutschreiben lassen, obwohl sie nach Auffassung des Beklagten am betreffenden Tag
eine Pause gehabt hatte. Zwischen den Parteien streitig ist weiter, ob die Klägerin in einer
Anhörung zum Sachverhalt die Vorwürfe teilweise eingestanden hat. Der Beklagte kündigte das
Arbeitsverhältnis zunächst außerordentlich fristlos. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, im
Zeitpunkt der Kündigung schwanger gewesen zu sein, nahm der Beklagte von der Kündigung
Abstand und kündigte nach der Elternzeit der Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich
fristgerecht. Das ArbG gab der Klage statt.
Entscheidung
Das LAG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es fehle an einem hinreichenden
Kündigungsgrund. Als verhaltensbedingter Kündigungsgrund komme auch schon der Verdacht
einer schwerwiegenden Pflichtverletzung in Betracht. Weiter könne der vorsätzliche Verstoß eines
Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, eine
außerordentliche wie ordentliche Kündigung rechtfertigen. Gemäß § 1 II 4 KSchG sei der
Arbeitgeber aber darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Der
Arbeitgeber habe damit auch diejenigen Tatsachen zu widerlegen, die einen vom gekündigten
Arbeitnehmer behaupteten Rechtfertigungsgrund betreffen und diese entlastenden Umstände
auszuschließen. Dabei gelte grundsätzlich eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.
Gemessen an diesen Grundsätzen habe der Beklagte weder den Verdacht eines systematischen
und vorsätzlichen Arbeitszeitbetruges noch die Tat eines solchen hinreichend dargelegt. Dem
rechtfertigenden Vortrag der Klägerin sei der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten und
damit seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Aus der nachträglichen Gutschrift
für eine Pause als Arbeitszeit folge kein Arbeitszeitbetrug der Klägerin. Der Beklagte habe nicht
widerlegt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Arbeitseinsätze während der ursprünglich
geplanten Pausenzeit stattgefunden hätten. Das in diesem Zusammenhang von dem Beklagten
behauptete Geständnis der Klägerin erlaube keinen Rückschluss auf einen Arbeitszeitbetrug, da es
sich nicht anhand der erfassten Arbeitszeiten nachvollziehen lasse. Die Klägerin berief sich
insbesondere darauf, in den fraglichen Zeiträumen erforderliche Nacharbeiten durchgeführt zu
haben. Auf diese von der Klägerin behaupteten Folge- und Aufräumarbeiten habe der Beklagte
nicht qualifiziert erwidert. Es gebe bei dem Beklagten keine Richtzeiten für die Dauer der
Folgearbeiten. Die von dem Beklagten vorgetragenen Vergleichszeiten anderer Teams seien nicht
aussagekräftig und zudem unvollständig.
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt eindrücklich die Anforderungen der abgestuften Darlegungs- und
Beweislast im Fall des (vermuteten) Arbeitszeitbetruges. Arbeitgeber sollten auf eine umfassende
Aufklärung des Sachverhaltes und eine sorgfältige Dokumentation aller relevanten Maßnahmen
und Daten achten. Das gilt auch für die Verdachtsanhörung. Im Zuge einer fortschreitenden
Einführung von Systemen zur Arbeitszeiterfassung werden solche Auseinandersetzungen
zunehmen.