Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit und den Beendigungstermin einer ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden, auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag sah eine viermonatige Probezeit vor, während der beide Parteien das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen konnten. Eine weitere arbeitsvertragliche Bestimmung sah ein ordentliches Kündigungsrecht jeder Partei nach Ablauf der Probezeit vor. Mit Schreiben vom 9.12.2022 kündigte die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt“. Nach Auffassung der Beklagten endete das Arbeitsverhältnis aufgrund der zweiwöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit am 28.12.2022. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Eine viermonatige Probezeit sei gem. § 15 Abs. 3 TzBfG unwirksam. Damit entfalle die der Probezeitvereinbarung zugrundeliegende ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsvertrags und die Kündigung sei insgesamt unwirksam. Art. 8 Abs. 2 AB-RL (RL (EU) 2019/1152) bestimme, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen unter zwölf Monaten die Dauer der Probezeit angemessen sein, also im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags stehen müsse. Daraus folge, dass in solchen Situationen auch die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG auf eine angemessene Dauer zu kürzen sei. Die Beklagte verteidigte die Dauer der Probezeit damit, dass für die Tätigkeiten der Klägerin ein erheblicher Einarbeitungsaufwand erforderlich sei und sie während der Probezeit eine Woche Urlaub in Anspruch genommen habe. Das ArbG gab der Klage insoweit statt, als dass die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 28.12.2022, sondern unter Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB zum 15.1.2023 beendet habe. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Klägerin legte Berufung, die Beklagte Anschlussberufung gegen das Urteil ein.

Entscheidung

Das LAG bestätigte das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich. Die Probezeit sei gem. § 15 Abs. 3 TzBfG unwirksam. Ihre Dauer von vier Monaten stehe nicht im Verhältnis zur Gesamtbefristungsdauer. Zwar sei weder in § 15 Abs. 3 TzBfG, noch in Art. 8 Abs. 2 AB-RL ein starres Verhältnis für die Länge der Probezeit zur Gesamtbefristungsdauer vorgesehen. Gleichwohl sei eine Probezeit, deren Länge 25 % der Gesamtbefristungsdauer nicht überschreite, im Regelfall mit § 15 Abs. 3 TzBfG vereinbar. Dies folge aus den Materialien zum Normsetzungsverfahren der AB-RL. Dabei sei auf die Dauer der tatsächlich vereinbarten Befristung abzustellen. Die Möglichkeit, die Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos auf bis zu zwei Jahre zu verlängern, sei unerheblich. Sei die Dauer der Probezeit länger als 25 % der Gesamtbefristungsdauer, habe der Arbeitgeber darzulegen, aus welchen Umständen sich die Angemessenheit der Probezeit im Einzelfall ergebe. Dies sei der Beklagten nicht gelungen. Die Regelung zur Probezeit sei daher sowohl gem. § 15 Abs. 3 TzBfG als auch gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam gewesen. Die kurze Kündigungsfrist von zwei Wochen gem. § 622 Abs. 3 BGB sei daher nicht anwendbar gewesen. Stattdessen galt gem. § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 1 BGB. Im Übrigen bleibe der Arbeitsvertrag gem. § 306 Abs. 1 BGB wirksam. Trotz der Unwirksamkeit der Regelung zur Probezeit sei das Arbeitsverhältnis gem. § 15 Abs. 4 TzBfG ordentlich kündbar gewesen. Die Regelung zur Probezeit sei von den anderen arbeitsvertraglichen Regelungen trennbar gewesen, in denen von einer ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses ausgegangen worden sei. Für die ordentliche Kündigung der Beklagten war mangels Erfüllung der Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG kein Kündigungsgrund erforderlich. Die Dauer der Wartezeit sei auch bei für kurze Zeit befristeten Arbeitsverhältnissen nicht abzukürzen. Dies folge nicht aus einer mit der AB-RL konformen Auslegung des § 1 Abs. 1 KSchG. Art. 8 Abs. 2 AB-RL verpflichte die Mitgliedstaaten lediglich dazu Sorge dafür zu tragen, dass die Probezeitdauer im Verhältnis zur Gesamtvertragslaufzeit angemessen sei. Damit sei kein Wille des europäischen Richtliniengebers verbunden, auch die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes in zeitlicher Hinsicht vorzuverlegen. Darüber hinaus sei eine richtlinienkonforme Auslegung nach nationalen methodischen Grundsätzen nicht möglich, da die klare Wartezeitregelung in § 1 Abs. 1 KSchG keinen Spielraum für eine Auslegung lasse.

Praxishinweis

Die Entscheidung des LAG verdeutlicht, dass die Angemessenheit der Dauer einer Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine Einzelfallentscheidung darstellt. Obwohl das LAG seine Entscheidung sorgfältig begründet, setzt es sich nicht mit Entscheidungen anderer Instanzgerichte auseinander, die eine längere Probezeit für zulässig halten (zB LAG Schleswig-Holstein BeckRS 2023, 39900 mAnm Raif ArbRAktuell 2024, 96).

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