Verwendet die Arbeitgeberin bei der Stellenbesetzung nicht mitbestimmte Personalfragebögen oder Beurteilungsgrundsätze i. S. v. § 94 BetrVG, begründet dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 II Nr. 1 BetrVG. (amtl. Leitsatz)

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung. Auf die interne Stellenausschreibung der Arbeitgeberin bewarben sich vier Mitarbeiter. Im Rahmen der Bewerbungsgespräche verwendete die Arbeitgeberin jeweils inhaltsgleiche Interviewbögen, in denen Fragen u. a. zur Motivation, Stärken und Schwächen sowie fachlichen Kenntnissen enthalten waren. Die Antworten der Bewerber fasste die Arbeitgeberin zusammen, bewertete diese mit Punkten und fällte auf dieser Grundlage eine Auswahlentscheidung zur Versetzung. Eine Zustimmung des BR zur Verwendung der Interviewbögen lag nicht vor.

Der BR begründete seine Verweigerung der Zustimmung zur Versetzung u. a. mit einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG.

Entscheidung

Das ArbG hat dem Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung stattgegeben, das LAG hat die dagegen gerichtete Beschwerde des BR zurückgewiesen.

Es liege kein Zustimmungsverweigerungsgrund, insbesondere keiner nach § 99 II Nr. 1 BetrVG vor. Zwar habe die Arbeitgeberin gegen § 94 BetrVG verstoßen. Bei den Interviews habe sie ohne Zustimmung des BR Personalfragebögen i. S. v. § 94 BetrVG verwendet, da mit ihnen standardisierte Fragen zur Eignung mündlich gestellt, zusammengefasst und schriftlich festgehalten worden seien. Dieser Verstoß gegen § 94 BetrVG berechtige den BR aber nicht zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 II Nr. 1 BetrVG. Dessen Voraussetzungen seien nur gegeben, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden könne, dass die Versetzung insgesamt unterbleibe. § 94 I BetrVG ziele nicht darauf ab, dass bei seiner Verletzung die Versetzung unterbleiben müsse. Mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG solle sichergestellt werden, dass lediglich Fragen gestellt werden, an denen der AG ein berechtigtes Interesse habe. Auch die gesetzliche Systematik unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte sprächen für dieses Ergebnis. Der Gesetzgeber habe die §§ 93 ff. BetrVG im Zusammenhang mit § 99 BetrVG ausdrücklich in den Blick genommen. Der Verstoß gegen eine abgeschlossene Auswahlrichtlinie sei ausdrücklich in § 99 II Nr. 2 BetrVG sanktioniert, nicht aber schon ein Verstoß gegen § 95 BetrVG im Vorfeld einer noch nicht abgeschlossenen Auswahlrichtlinie. Ein Verstoß gegen § 93 BetrVG begründe einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 II Nr. 5 BetrVG. Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber bei einem Verstoß gegen § 94 BetrVG gerade keinen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 II BetrVG statuieren wollte.

Auch aus einem Vergleich mit einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Prüfpflichten aus § 164 I 1 und 2 SGB IX folge nichts anderes. Zwar sei zutreffend, dass auch hier das Auswahlverfahren betroffen sei. Entscheidend für die Annahme eines Verbotsgesetzes i. S. d. § 99 II Nr. 1 BetrVG sei jedoch, dass bei einem Verstoß gegen § 164 SGB IX dem Arbeitsmarkt ein an sich zur Verfügung stehender Arbeitsplatz zu Lasten der Gruppe der Schwerbehinderten entzogen würde (vgl. BAG, ArbRAktuell 2010, 559), was § 164 SGB IX gerade verhindern solle. Darum gehe es bei § 94 BetrVG nicht.

Praxishinweis

Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.

Es entspricht der st. Rspr., dass der BR seine Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme nach § 99 II Nr. 1 BetrVG wegen Verstoßes u. a. gegen ein Gesetz nur dann verweigern kann, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz verstößt. Der Zweck der betreffenden Norm, die Maßnahme selbst zu verhindern, muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Zu § 95 I BetrVG ist bereits entschieden, dass es sich nicht um eine Verbotsnorm i. S. v. § 99 II Nr. 1 BetrVG handelt. Das Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Auswahlrichtlinien habe nicht den Zweck, die Einstellung von bestimmten Arbeitnehmern zu verhindern, sondern dem BR bei deren Auswahl Rechte zu gewähren (BAG, ArbRAktuell 2013, 357).

 

Quelle: ArbRAktuell 2023, 554, beck-online