LAG Baden-Württemberg, 02.02.2022, 10 Sa 66/21

Thema: Kündigung einer Polizeiärztin wegen Kritik an Corona-Politik

Auch Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, müssen ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Handelt ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider, kann dies ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin war seit dem 01.11.2019 beim beklagten Land als Polizeiärztin im polizeiärztlichen Dienst (PÄD) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Die Klägerin rief im Frühjahr 2020 zu insgesamt drei öffentlichen Kundgebungen gegen die Corona-Politik auf. Am 15.11.2020 veröffentlichte die Klägerin in einer Sonntagszeitung im "Sonntagsmarkt" unter "Verschiedenes" eine Kleinanzeige, in der sie u.a. das Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten gleichgesetzt. In der Anzeige sprach sie außerdem von "Zwangsimpfungen" und verwies im gleichen Atemzug auf eine Demonstration vor dem Bundestag gegen das Infektionsschutzgesetz. Mit Schreiben vom 10.02.2021 kündigte das beklagte Land die Klägerin zum 31.03.2021. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.