LAG Hamm, Urteil vom 2.12.2022 – 19 Sa 756/22LAG Hamm, Urteil vom 2.12.2022 – 19 Sa 756/22
Sachverhalt
Die Parteien streiten u. a. über einen Auskunftsanspruch hinsichtlich personenbezogener Daten und Schadenersatzansprüche wegen Verstößen gegen die DSGVO. Die Klägerin ist seit Juni 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war von der Beklagten zum Ende des Jahres 2020 gekündigt worden. Nachdem die Kündigung erfolglos blieb und die Klägerin weiter für die Beklagte tätig war, forderte die Klägerin am 26.5.2021 von der Beklagten Auskunft gemäß Art. EWG_DSGVO Artikel 15 EWG_DSGVO Artikel 15 Absatz I DSGVO über gespeicherte personenbezogene Daten. Mit einem am 19.7.2021 zugegangenen Schreiben erteilte die Beklagte Auskunft. Indes hatte die Klägerin bereits am 15.7.2021 durch die Erweiterung einer schon anhängigen Klage einen Anspruch auf Auskunft über personenbezogene Daten gerichtlich geltend gemacht. Die Klägerin meinte fortan, dass die Beklagte den Auskunftsanspruch nur teilweise erfüllt habe, außerdem könne auch erneut Auskunft begehrt werden. In ihrem Klageantrag begehrte die Klägerin dabei pauschal Auskunft über sämtliche bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten und Informationen, die vom Wortlaut des Art. EWG_DSGVO Artikel 15 EWG_DSGVO Artikel 15 Absatz I Hs. 2 DSGVO umfasst sind.
Mit einer weiteren Klageerweiterung forderte die Klägerin später die Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. EWG_DSGVO Artikel 82 EWG_DSGVO Artikel 82 Absatz I DSGVO, weil die Auskunft der Beklagten am 19.7.2021 verspätet gewesen sei. Laut der Klägerin liege bereits in der Verletzung der DSGVO selbst ein Schaden. Das ArbG hat die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das LAG Hamm hält den Auskunftsantrag der Klägerin bereits für nicht bestimmt genug und damit unzulässig, § ZPO § 253 ZPO § 253 Absatz II Nr. ZPO § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO. Das LAG bemängelt, dass der Antrag sich nur am reinen Wortlaut des Art. EWG_DSGVO Artikel 15 EWG_DSGVO Artikel 15 Absatz I Hs. 2 DSGVO orientiere und keine nähere Konkretisierung enthalte. Da die Beklagte der Klägerin bereits am 19.7.2021 in gewissem Umfang Auskunft erteilt habe, sei es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, genauer zu beschreiben, welche weiteren Daten sie über die bereits erteilte Auskunft hinaus begehrt. Nach Auffassung des LAG mache es einen Unterschied, ob die Arbeitnehmerin noch keinerlei Auskünfte erhalten hat – dann sei ein bloß abstrakter Antrag unter Wiedergabe des Wortlauts der DSGVO eher zulässig –, oder ob ihr aufgrund vorheriger Auskünfte eine genauere Bezeichnung der gespeicherten personenbezogenen Daten möglich sei. Im letzteren Fall dürfe sich die Klägerin nicht auf eine generalisierende Umschreibung beschränken.
Auch Schadensersatz aus Art. EWG_DSGVO Artikel 82 EWG_DSGVO Artikel 82 Absatz I Alt. 2 DSGVO lehnte das LAG ab. Zwar sei die Auskunft durch die Beklagte am 19.7.2021 erst nach Ablauf der Monatsfrist des Art. EWG_DSGVO Artikel III DSGVO erfolgt, worin ein Verstoß gegen die DSGVO liege. Jedoch habe die Klägerin einen immateriellen Schaden nicht dargelegt. Anders als die Klägerin meint, genüge der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO nicht als Schaden. Anderenfalls würde es sich – entgegen der Idee des Art. EWG_DSGVO Artikel 82 EWG_DSGVO Artikel 82 Absatz I DSGVO – um einen von einem konkreten Schaden losgelösten „Strafschadenersatz“ handeln.
Praxishinweis
Das LAG Hamm stellt klar, dass die bloße Wiedergabe des Wortlauts des Art. EWG_DSGVO Artikel 15 EWG_DSGVO Artikel 15 Absatz I Hs. 2 DSGVO allenfalls im Ausnahmefall als zulässiger Klageantrag ausreicht. Das BAG ließ dies bislang offen (BeckRS 2021, BECKRS Jahr 46578, Rn. BECKRS Jahr 2021 Randnummer 27). Das LAG verzichtete in Bezug auf Art. EWG_DSGVO Artikel 82 EWG_DSGVO Artikel 82 Absatz I DSGVO auf eine Aussetzung des Verfahrens nach § ZPO § 148 ZPO § 148 Absatz I ZPO, obwohl beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsersuchen zur Frage, ob bereits die Verletzung der DSGVO für die Zuerkennung von Schadenersatz ausreicht, noch nicht beantwortet sind (vgl. EUGH Aktenzeichen C-300/21). Soweit das LAG unter Vorgriff auf die ausstehenden EuGH-Entscheidungen meint, dass der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO für sich genommen nicht ausreiche, um einen Schadenersatzanspruch aus Art. EWG_DSGVO Artikel 82 EWG_DSGVO Artikel 82 Absatz I DSGVO zu begründen, ist dem LAG zuzustimmen. Gleichwohl steht diese Meinung im Widerspruch zur Auffassung des BAG, das in einem eigenen Vorlagebeschluss die Gegenposition vertrat (BAG, ArbRAktuell 2021, ARBRAKTUELL Jahr 2021 Seite 635).
Folgerichtig hat das LAG die Revision bzgl. der Rechtsfragen zur DSGVO zugelassen. Die Klägerin hat in diesem Umfang Revision (BAG Aktenzeichen 8 AZR 48/23) und im Übrigen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BAG Aktenzeichen 10 AZN 72/23).